Bei einer gut besuchten Einwohnerversammlung war trotz finanzieller Versprechen der Investoren eine breite Ablehnung neuer Windräder zu spüren. Daran änderten auch Kompromissvorschläge nichts.
Von Stefan Hoeft
Schmarsow. Dass dieser Montagabend in Schmarsow kein einfacher für ihn werden würde, muss Jaspar von Maltzahn, Chef der Daberkower Landhof AG als einer der größten Flächeneigner am mittleren Peene- und Tollensetal, von vornherein klar gewesen sein. Zum einen, weil er als einer der treibenden Köpfe hinter den Bestrebungen von fünf Agrarbetrieben gilt, die hier 26 bis zu 241 Meter hohe Windkraftanlagen errichten wollen. Und mancher ihm persönlich sehr skeptisch gegenüber scheint. Zum anderen, weil der Mann kurzfristig und entsprechend wenig vorbereitet als „Referent“ für Max von Maltzahn einsprang, einen entfernten Familienangehörigen.
Dessen Firma „FairWind“ zeichnet für die Planung verantwortlich und hatte Kruckows Abgeordneten jüngst umfangreiche Zusagen in Aussicht gestellt, sollte es breite Zustimmung für das Vorhaben geben. Also weit über die pro Rotorenturm veranschlagten Gewerbesteuern von um die 50.000 Euro hinaus: Von einem um 17 Cent günstigeren Strompreis war die Rede, einem Bürgerwindrad und von 10 000 Euro jährlich pro Anlage zugunsten gemeinwohlorientierter Projekte, was für diese Kommune 210.000 Euro wären.
Dorf wäre von Windrädern umstellt
Denn das im Regionalplanungsentwurf enthaltene neue Eignungsgebiet 19/2015 „Kruckow“, das 14 Windrädern Platz bieten soll, liegt komplett in ihrer Gemarkung. Und auch von den im Gebiet 20/2015 „Alt Tellin“ angestrebten zwölf Windrädern ständen wohl sieben auf Kruckower Seite. Finanziell wäre das durchaus ein leckeres Bonbon für die klamme öffentliche Haushaltskasse und ein gewichtiger Grund, vor einer Stellungnahme die Bürger zu befragen. Zumal die, insbesondere in Heydenhof, künftig wohl in allen Himmelsrichtungen Rotoren sehen würden.
Doch die Ablehnungsfront gegen mehr Windkraftanlagen in Vorpommern steht wohl in sämtlichen Dörfern,wie die Versammlung am Gemeindehaus in Schmarsow am Montag verdeutlichte. Gut hundert Leute kamen, und außer von den Investoren war von niemandem Zustimmung zu vernehmen. Von „Honig ums Maul schmieren“ für die eigene Gewinnsucht war die Rede, mancher fand selbst die Rückkehr der Russen auf den Tutower Flugplatz erstrebenswerter, andere attackierten von Maltzahn ganz persönlich, mal mehr und mal weniger laut. Doch dank seiner Bemühung um Sachlichkeit und des Intervenierens von Bürgermeisterin Elke Hempel verhalten solche Spitzen, ohne die Debatte zu sprengen.
Landwirte wollen Boden rantabler machen
„Wir sind bestrebt, unsere Betriebe auf eine wirtschaftlichere Basis zu stellen“, erklärte der Landhof-Chef. Auch mit Blick auf die rund hundert Arbeitsplätze dort. Es gelte, die Nutzung des Bodens noch rentabler zu machen, zumal 2020 das erste Mal seit vier Jahren wieder eine normale Ernte eingefahren worden sei. Da böte die Windkraft momentan ein reizvolles Instrument. „Es ist unbestritten, dass das ein wesentlicher Eingriff in die Landschaft ist und dass das Beeinträchtigungen mit sich bringt“, räumte er ein. Aber „FairWind“ werde alles unternehmen, sie zu mindern und gerade beim Schall hält er die für erträglicher als von Kritikern dargestellt.
„Denken Sie doch auch mal über die Chancen nach“, bat von Maltzahn. So bleibe die Wertschöpfung in diesem Fall vor Ort, sollten möglichst viele Menschen von den Erträgen profitieren. Es gelte, auch auf diese Weise die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, um keine Wohlstands- und Einkommensverluste hinnehmen zu müssen. Wohl wissend, dass die Bundes- und Landespolitik klar hinter dieser Energieform steht und der regionale Planungsverband dies ebenfalls tut. „Am Ende sind es demokratische Prozesse, denen das ganze unterworfen ist. Und natürlich rechtliche Prozesse, das muss ich mal in aller Deutlichkeit sagen.“
Erhebliche Politikverdrossenheit zu spüren
Das wolle er nicht in Abrede stellen, entgegnete Falk Fabich vom benachbarten ehemaligen Herrenhaus, das von ihm und seiner Frau als Beherbergungsbetrieb unterhalten wird. Aber seinem Eindruck nach gehe es hier um die Umsetzung eines wirtschaftlichen Vorteils weniger gegen die Interessen der großen Mehrheit. Die bisherige Abwägung beim Planungsverband erfolge eindeutig zulasten der Bevölkerung, indem so gut wie sämtliche Argumente gegen die Windparks unbeachtet blieben. Das treffe selbst den Tourismus, obwohl der neben Landwirtschaft als Entwicklungsziel für die Region festgelegt sei. „Es gibt ja wohl keinen Zweifel, dass das negative Auswirkungen auf die touristische Entwicklung hat.“
Was die Mehrheit der Bürger vor Ort wollte, interessiere in dieser Frage aber ohnehin nicht, so der Tenor der Einwohnerversammlung, viele ließen erhebliche Politikverdrossenheit erkennen. Anders als von Maltzahn fürchten sie nicht nur die optischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Rotorentürme, sondern ebenso einen Wertverlust ihrer Immobilien. Die in Aussicht gestellten finanziellen Zusagen schienen da wenig entgegen zu wirken, zumal das Gros die Energiewende für unausgegoren und für insbesondere auf dem Rücken der Vorpommern ausgetragen hält.
Befürworter nach 20 Jahren Gegner der Windkraft
„Ich war vor 20 Jahren ein ganz entschiedener Befürworter der Windkraft“, räumte der Schmarsower Robert Kreibig ein. Doch dies geschah vor allem mit Blick auf eine autarke Stromversorgung der Dörfer unabhängig von großen Unternehmen. Die heutige politische Fahrtrichtung hingegen sieht er als Konstrukt aus Halbwahrheiten mit großen Gefahren für die Versorgungssicherheit Deutschlands und einen Tiefschlag für unsere Region im Speziellen. Deshalb gelte es, solche „wahnwitzigen Projekte“ mit allen Mitteln zu verhindern, jede Verzögerung sieht er da als Hoffnung an.
Während Kreibig ein Moratorium von der Politik forderte, um vor einem weiteren Ausbau offene Fragen zu klären, appellierte Fabich an die lokalen Investoren persönlich. Sie sollten die Verhältnismäßigkeit ihres Vorhabens für so eine überschaubare Region mit schon zahlreichen weiteren Anlagen in der Umgebung beachten, über eine Reduzierung der Standorte nachdenken. Zumal anfangs von lediglich acht Exemplaren die Rede war. Eine Intention, für die sein Gegenüber durchaus Gesprächsbereitschaft erkennen ließ. „Lassen Sie uns auch da drüber reden. Es müssen vielleicht nicht 26 sein“, antwortete von Maltzahn. Schließlich sei ihm das Zusammenleben in den hiesigen Dörfern durchaus wichtig und er bemüht, Kompromisse zu finden.
Gemeinde wird Ablehnung der neuen Windgebiete schicken
Die Gemeinde allerdings, das machte Bürgermeisterin Hempel im Anschluss dem Nordkurier gegenüber klar, werde angesichts dieser Einwohnerversammlung bis zum Ende der Anhörungsfrist am 3. September eine Ablehnung der zwei Windeignungsgebiete an den Planungsverband schicken. Unter ihrer Vorgängerin Vera Müncheberg war das lediglich mal andiskutiert, aber nie umgesetzt worden. Die hatte das Thema eher unterm Tisch gehalten, sodass Kruckow bisher die einzige Kommune im Amtsbereich Jarmen-Tutow ist, die keine negative Stellungnahme abgegeben hat.
Quelle: https://www.nordkurier.de/demmin/buerger-gegen-mehr-windkraft-in-gemeinde-kruckow-0240551209.html